Zu Gast in Oldenburg – Der Gemeindetest

Kehille-Test

Eine neue Folge des Synagogentests, diesmal von Elisabeth.

Nein, zufällig kommt man nicht zu dieser Gemeinde, sie liegt abseits der üblichen Touristenrouten. Es lohnt sich aber, gezielt dorthin zu fahren, denn sowohl die Stadt als auch die Gemeinde sind mehrere Besuche wert.

Zweimal im Jahr steht bei mir die große Frage an: wo sage ich als Frau Kaddisch nach meinen Eltern, welche Gemeinde ist nun endlich so weit, dass sie diese – für mich nicht mehr einsehbare – ausgrenzendeTradition abschafft hat. Meine Gemeinde hatte an diesem Schabbat keinen G’ttesdienst, also fuhren wir wieder einmal in die Welt hinaus, unsere Entscheidung fiel auf Oldenburg.

Mein erster Besuch liegt etwa 10 Jahre zurück, ich war auf Rabbiner Wyler gespannt, durch sie bekam die jüdische Landschaft eine neue Farbigkeit, seitdem zieht es mich immer wieder nach Oldenburg.

Erwähnenswert sind viele Dinge.

Polizeischutz war nicht erkennbar, Sicherheitsüberprüfung nicht vorhanden, sehr angenehm!!!!

Die Synagoge ist eine ehemalige Baptistenkapelle, die geschickt und geschmackvoll umgestaltet wurde.

Die G’ttesdienste werden von den Mitgliedern gehalten, gekonnt und souverän, Rabbiner Wieler hat hier gute Arbeit geleistet, Rabbiner Alter hat einen beneidenswerten Start. Als nicht sehr wissende Besucherin, konnte ich dem G’ttesdienst (SIDDUR SEFAT EMET) gut folgen.

Die Gemeinde ist offen und gastfreundlich. Keine skeptischen Blicke, begrüsst wurde ich nicht nur von der Vorsitzenden, Frau Schumann und von Rabbiner Alter, auch die Mitglieder gingen auf mich zu, die Atmosphäre empfand ich als entspannt und wohltuend.

Für „Kidduschtouristen“ ist Oldenburg nicht zu empfehlen, wichtiger als die gemeinsame Mahlzeit ist die Kommunikation. Dennoch war die Einladung nach Schabbat Schacharit (die üblicherweise von Mitgliedern ausgerichtet wird), besonders reichhaltig und überaus schmackhaft ausgefallen, durch einen familiären Anlass.

Schabbat-G’ttesdienste finden14- tägig statt, Freitag 19.00 Uhr, Samstag 10.00 Uhr, Besucher sind jederzeit willkommen.

Von den (von Chajm vorgegebenen) 5 Punkten bekommt Oldenburg von mir 4,9. Eine kleine Steigerung ist immer möglich und dient der Motivation.

Jüdische Gemeinde zu Oldenburg e.V.
Wilhelmstraße 15-17
26121 Oldenburg
Tel. 0441-13127
Fax 02441-14456
e-mail: Jgemeindeo@aol.com

Bisher erschienen: Bochum, Wien

Zu Gast in Wien – Der Gemeindetest

Kehille-Test

Schon der zweite Teil der spontan entstandenen Rubrik „Der Kehille-Test”; tatsächlich folgte „Ein Jude” meiner Aufforderung aus dem Kommentar und verfasste einen Test für die Gemeinde Wien; genauer gesagt, für den Stadttempel im 1. Bezirk. Weitere Tests gerne an meine e-mail-Adresse (steht im Profil) oder über das online-Formular von talmud.de. Bei größerer Nachfrage wird natürlich eine eigene Rubrik auf talmud.de unausweichlich sein. Ich danke natürlich herzlichst „Ein Jude” (Aua, die Syntax die dadurch entsteht, tut weh)!

Am Tag nach Purim machte ich mich über Nacht auf den Weg nach Wien, das doch einige 100 km entfernt lag, um dort einen Termin wahrzunehmen. Ich trug einen Rucksack mit Tallis, Tefilin und einigen persönlichen Gegenständen bei mir. Als ich dann also in Wien ankam war es noch dunkel, die Strassenbahnen gingen dann auch wieder in Betrieb. Ich entschloss mich, aufgrund der als doch recht aktiv bekannten jüdischen Gemeinde, zu schauen, ob es auch unter der Woche einen Schacharisminjon gibt, da ich auch sonst zumindest einen geeigneten Ort, um allein zu beten, gebraucht hätte.

In Wien gibt es diverse orthodoxe Gemeinden, rationalistisch und chassidisch, aschkenasisch und sefardisch, wohl auch einen Neturei-Karta-Rabbiner, der der FPÖ als Alibijude dient und für unzurechnungsfähig erklärt wurde. Ich entschloss mich daraufhin, um böse Überraschungen zu vermeiden, und in der Hoffnung, einen jeckischen Ritus vorzufinden, mich zur Hauptsynagoge der IKG Wien zu begeben. Dort, so hatte ich gelesen, hat der Neturei-Karta-Mann Hausverbot.
Der Stadttempel liegt im 1. Bezirk Wiens, nicht weit des Stephansdoms. Das Gebäude wurde im 19. Jahrhundert erbaut und wegen seiner Nähe zu Nachbargebäuden von den Nazis nicht zerstört.
Tatsächlich gab es einen Minjon, zunächst kam ich allerdings an eine Sicherheitskontrolle am Eingang. Nach Passkontrolle, Befragung (der Sicherheitsmann war wohl Israeli, jedenfalls sprach er deutsch mit einem schwer verständlichen Akzent), Durchsuchung des Rucksacks, der Jacke, und Metalldetektorkontrolle wurde ich dann eingelassen. Die dem Sicheitsmann bekannten Beter wurden nicht kontrolliert.

Dann ging ich in den Gebetsraum, wochentags wird, wie in vielen Gemeinden üblich, in einem kleineren Raum gebetet. Ich wurde sofort herzlich in englischer Sprache begrüsst, ich frug „Do you speak German?“, ein Gemeindemitglied antwortete „Na, dätsch kemmer net, mir redens wianerisch“. Ich war also definitiv angekommen. Ich unterhielt mich noch kurz mit den Leuten, der Rabbiner blieb leider nicht, da er die Rebbetzin zum Flughafen bringen musste.

Nun also das Gebet: Man folgte dem Siddur „Schma Kolenu“, der Choson hatte eine aschkenasische, leicht osteuropäische Aussprache. Gebetet wurde in üblicher orthodoxer Geschwindigkeit, alle Anwesenden waren, wie bei Minjonim lechol (unter der Woche) üblich, männlich.

Nach dem Gebet gab es noch Hamentschen, die von Purim übrig waren, sowie Alkohol. Ich unterhielt mich mit den Anwesenden. Schliesslich gab man mir sogar noch eine riesige Challe mit, um sicherzustellen, dass ich auch genug zu essen hatte.

Fazit: Sehr empfehlenswert. Man könnte sich ein Röntgengerät oder die Möglichkeit zur Abgabe des Gepäcks am Eingang statt langer Durchsuchung wünschen. Diejenigen, die mit dem Ritus nicht vertraut sind, werden Probleme haben, dem Gebet zu folgen (was allerdings in aschkenasisch-orthodoxen Gemeinden die Regel ist). Darum 4,5 von 5 Sternen.

Zu Gast in Bochum – zu Gast bei Freunden?

Kehille-Test

Schawuot gab es in meiner Heimatgemeinde kein Schacharit-Gebet (wie schon im Vorjahr) und deshalb entschloß ich mich kurzerhand, die Nachbargemeinde Bochum zu besuchen – oder genauer gesagt, die jüdische Gemeinde Bochum-Herne-Hattingen mit etwa 1100 Mitgliedern. Bochum ist also neben Dortmund eine der mitgliedsstärksten Gemeinden im Landesverband Westfalen. Meine Ansprüche waren also hoch; auf der Grundsteinlegung hörte man ja viel vom regen Gemeindeleben dort. Auf dem Gemeindeblatt stand als Anfangszeit 9:30 Uhr angegeben. Nachdem ich die, nicht-gerade-sehr-zentral-gelegene, Gemeinde in der Nähe des Opelwerkes gefunden hatte, war es 9:35. Überraschenderweise hatte die Gemeinde einen „Sicherheitsmann” oder „Pförtner” der genau zu Protokoll nahm, wer ich war und woher ich kam (eigentlich notwendig und OK). Dann die Treppe hoch und ab in den Raum, der als Mehrzweckraum Synagoge und Kidduschraum fungierte. Abgetrennt durch eine verschiebbare Holzwand. Die Frauen saßen auf der linken Seite (4 waren da) und Männer auf der rechten Seite. Als ich kam, saßen dort 6 Männer (in Buchstaben SECHS), mit dem Vorbeter also 8. Der Vorbeter, offenbar ein Israeli, machte seinen Job sehr gut und schien auch nicht unsympathisch zu sein. Von den anderen Betern wurde ich ersteinmal genauestens unter die Lupe genommen. s wurde kurz getestet, ob ich russisch verstehe; begrüßt wurde ich aber nicht. Danach ließ man mich auch in Ruhe. Als wir zum Kaddisch kamen wurde klar, dass zwei Männer fehlten. Jemand stand auf und holte den Mann von der Pforte und dann einen aus der Küche. Es wurde Kaddisch gesagt und die Männer verschwanden wieder. Zur Amidah und Hallel das gleiche Spiel, zur Torahlesung blieben sie gleich da und bekamen auch einen Aufruf. Fasziniert stellte ich fest, dass ich deren Minjanmann war. Wäre ich gegangen, hätten die einpacken können. Während der Torahlesung standen fünf Männer oben und ich saß „unten”. Alle anderen waren irgendwie „unterwegs” hinter den Kulissen des Mehrzweckraumes. Zwischendurch klingelte immer wieder ein Telefon. Von einem Minjan also keine Spur. Eine Dame die vorne saß korrigierte immer wieder den Baal Korej während der Lesung. Ich habe übrigens keine Alijah erhalten, in Bochum ehrt man so wohl Gäste, wenn sie den Minjan vollmachen. Am Ende der Tfillah wurde Adon Olam gesungen und bereits nach den ersten zwei Zeilen saß ich völlig alleine „unten” die anderen Männer waren schon auf die andere Seite der Holzwand gegangen um sich an den Kiddusch-Tisch zu setzen. Nach der letzten Zeile gab mir den Vorbeter die Hand, sagte kurz „Chag Sameach” und ich sah zu, dass ich möglichst schnell hinaus kam… Zum Kiddusch wollte ich leider nicht mehr bleiben. Am liebsten habe ich es, wenn jemand dazu einlädt oder einen Willkommen heißt… Das Fazit des Kehille-Testers: Leider kein Stern für diese „Gemeinde”.